Luftfahrtbranche im Umbruch – Krise oder Zyklus?
Aktuelle Studie von Droege & Comp. in Kooperation mit dem Airline-Verband BARIG e.V. beleuchtet Herausforderungen und Lösungsansätze für die Luftfahrtbranche in Deutschland

03.12.2008 12:00
Die Luftfahrtbranche befindet sich gegenwärtig nicht in einer Krise, sondern in einem Zyklus:
Dieser Auffassung sind etwa zwei Drittel der über 80 in Deutschland vertretenen TOP-Manager von Passagier- und Frachtairlines sowie Airports aus mehr als 20 Ländern, die in der aktuellen Aviation-Studie 2008/2009 der renommierten Unternehmer-Beratung Droege & Comp. aus Düsseldorf in Kooperation mit BARIG e.V. befragt wurden.

Fokus auf Konsolidierung

Über die Hälfte der Befragten sind der Ansicht, dass eine breit gefächerte drastische Preissteigerung nicht unbedingt erfolgen muss, um die Luftfahrt wieder nachhaltig profitabel zu gestalten. Steigende Treibstoffkosten können nicht in ausreichender Form an die Kunden weitergegeben werden –das ist die einhellige Meinung von über 60 Prozent der Interviewten. Konsolidierung ist für 75 Prozent die Lösung sowohl innerhalb der Netzwerk-Carrier wie auch im Low-Cost Bereich. So könne einem Einbruch der Nachfrage und steigenden Kosten erfolgreich entgegengewirkt werden. Die durch die gegenwärtige Konsolidierung in Gang gekommene Marktbereinigung erlaube den Airlines, die Preise in ausreichendem Maße zu erhöhen und so die Erträge zu stabilisieren.
Weiterhin stimmen rund 70 Prozent der Befragten überein, dass mit einem Rückgang der Flottenbestellungen sowie zusätzlichen Auftragsstornierungen in 2009 zu rechnen ist. Mehr als 80 Prozent sagen, dass die neuesten Flugzeugbestellungen dazu benutzt werden, um ältere Fluggeräte auszumustern anstatt Kapazitäten auszubauen.

Maßnahmen zur Kostensenkung

Die Konzentration auf das Kerngeschäft entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist für die Mehrheit der Aviation-Manager von steigender Bedeutung. Im Bereich der Netzwerk-Airlines streben mehr als 80 Prozent eine Anpassung der Wertschöpfungstiefe vor allem im Bereich des Bodenpersonals an. Auch bei den Cargo-Airlines hat das Bodenpersonal mit fast 60 Prozent Vorrang vor Technik oder IT-Maßnahmen. Bei den Flughafenbetreibern wird eine Reduzierung der Wertschöpfungstiefe insbesondere im Bereich der Bodenverkehrsdienste erwartet. Zukünftige Kostensenkungsmaßnahmen im Passagierverkehr stehen bei rund 85 Prozent der Interviewten im Bereich Einkauf im Plan, noch vor der Reduzierung der Personalkosten. Knapp 80 Prozent nehmen zudem die Treibstoffpreise (z.B. Hedging) sowie das Netzwerk-Management, wie Streichung von Routen oder Parken von Flugzeugen, ins Visier.

Flughäfen im Fokus

Auch die Flughäfen werden zunehmend mit weiteren Forderungen nach Kostensenkungen konfrontiert. Mehr als 80 Prozent der Befragten gaben an, dass zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit zusätzliche Kosteneinsparungen unbedingt erforderlich seien. Weitere 65 Prozent erwarten, dass angesichts der wirtschaftlichen Situation der Airlines die Flughäfen gezwungen werden, mit einer Änderung ihrer Preismodelle auf die Branchenentwicklung zu reagieren. Etwa drei Viertel der Luftfahrtexperten stimmen überein, dass Flughäfen zunehmend Ertragsquellen außerhalb des Aviation-Geschäftes suchen werden, z.B. im Bereich Immobilienvermarktung. Darüber hinaus meinen über die Hälfte, dass Flughafenbetreiber künftig verstärkt Premium-Services für Fluggäste, wie VIP-Services zum Flugzeug oder First Class Lounges, anbieten werden.
Auch Luftfracht-Airlines im Umbruch
Auch die Luftfracht-Carrier stehen vor großen Herausforderungen. Über die Hälfte der Befragten geben an, dass der beobachtete Ertragsverfall sich verstärken und anhalten wird. Wachstum sei nur noch über Mengen- und Routenzuwachs erreichbar. Fast 60 Prozent der befragten Manager gaben zu Protokoll, dass Airlines aus dem Nahen Osten, Russland und Asien einen deutlichen Kostenvorteil hätten und somit einen zusätzlichen Preisdruck erzeugen, den europäische Anbieter schlecht kompensieren könnten. Knapp 55 Prozent befürworten als Lösung simple und schlanke Prozesse im Frachtgeschäft, da sie der Auffassung sind, dass Komplexität und „Extras“ im Produktdesign vom Markt nicht honoriert werden. 

Wachsende regulatorische Belastungen

Die Genehmigungsprozesse für den Ausbau von Luftfahrt-Infrastruktur innerhalb  Europas müssen beschleunigt werden, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können – darüber sind sich über 90 Prozent der Experten einig. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der schnell wachsenden Kapazitäten im Mittleren Osten zu sehen. Ebenfalls meinen fast 90 Prozent, dass ein allein auf den europäischen Raum beschränkter Emissionshandel erhebliche Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Airlines haben wird. Gerade im Hinblick auf die Konkurrenz aus dem Nahen Osten beklagen 80 Prozent, dass durch die bestehende Gesetzeslage in Europa die Prozesse zusätzlich verkompliziert werden. Airlines aus dem Nahen Osten hätten hier einen deutlichen Wettbewerbsvorteil.
Zudem sollten bestimmte Sicherheitsmaßnahmen, wie Restriktionen zur Mitnahme von Flüssigkeiten im Handgepäck gelockert und die Zulassung moderner Röntgengeräte zur verbesserten Erkennung von Laptops und Flüssigkeiten forciert werden.

Zuversicht bleibt

Dennoch strahlt die Luftfahrtbranche trotz der aktuellen Wirtschaftslage große Zuversicht für die mittel- und langfristige Zukunft aus und prognostiziert ein Wachstum von durchschnittlich fünf bis sechs Prozent pro Jahr.

Weitere Informationen sind über www.droege-international.com und www.barig.org abrufbar.