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Wilde Natur
Warum die Flusslandschaften des Allgäus Abenteuer pur sind

Wilde Natur


14.07.2021 11:03
Wildflusslandschaften sind wie Türen zu weitgehend vergessenen Räumen. Wer hier im Allgäu entlang wandert, fragt sich: Bin ich wirklich in Deutschland?

Titelbild: Wildflusslandschaften Allgäu. © Thomas Pirtschke

Wilde Natur
Ein Eisvogel taucht ins kühle Nass, Prachtlibellen schirren umher, Farne und Moos haben sich auf die Bäume und Steine gesetzt, auf den Feuchtwiesen wachsen Orchideen. Wilde Natur. Nein, wir sind nicht mehrere tausend Kilometer geflogen – wir sind im Allgäu, dem wilden Süden Deutschlands. Natürliche Flusslandschaften wie die der Argen, die eine Einheit aus Fluss, Überschwemmungsflächen und Kulturlandschaft bilden, sind in Europa selten geworden. Wenige Lebensräume haben eine so reiche Fauna und Flora wie sie. Von der Quelle bis zur Mündung verändern sie ständig ihr Gesicht, keine Flussschlinge gleicht der anderen. Viele Tier- oder Pflanzenarten gedeihen nur in einem bestimmten Abschnitt. Ein empfindliches Ökosystem. Ein Eisvogel zum Beispiel braucht steile, sandige Prallhänge am Ufer, damit er darin einen langen Gang von einem Meter zu seiner Bruthöhle bauen kann. Bis zu 200 Mal taucht er am Tag ins Wasser, um für seinen Nachwuchs Fische zu fangen.

Die Wandertrilogie Allgäu, ein fast 900 Kilometer langes Weitwanderwegenetz quer durch die Region hebt diese vergessenen Schätze wieder ins Licht und zeigt, wie einzigartig und schützenswert unsere Lebensräume sind.

Die drei Routen der Wandertrilogie machen drei Landschaftsbilder und Höhenlagen des Allgäus erlebbar, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Eine davon ist die Wasserläufer Route und sie führt durch ein atemberaubendes Landschaftsmosaik aus stillen Bächen und wilden Schluchten, verwunschenen Seen, bunten Wiesen, sanften Hügeln und steinernen Bergriesen. Das Wasser, es ist der Ursprung allen Lebens. „Welch atemberaubendes Land das Eis und seine Schmelzwässer vor Urzeiten gegraben haben, ist in dieser Region besonders augenfällig. Hier ist das Wasser allgegenwärtig“ meint Christa Fredlmeier, Projektleiterin der Wandertrilogie bei der Allgäu GmbH. Gletschertöpfe, Toteislöcher, Drumlins und U-förmige Täler, Seen, Tümpel und Moore – sie alle sind die Schöpfungen und Nachfahren dieser Zeit.

Eine Delikatesse im Naturschutz
Eine geografische Sensation der Eistobel bei Isny, einer idyllischen mittelalterlichen Kleinstadt im schwäbischen Allgäu, die zum Trilogieraum „Heimatstätten“ der Wandertrilogie gehört und ihre eigene Geschichte auf Schautafeln erzählt. „Bei der Höhe, die man sich hier wandert erarbeitet, ahnt man gar nicht, dass dort so ein beeindruckender Tobel wartet“, erzählt Gabriele Köppel-Schirmer begeistert, die Wanderungen auf den Wegen der Wandertrilogie anbietet und als Wasserbotschafterin der Westallgäuer Wasserwege unterwegs ist. Im naturgeschützten Eistobel stürzt das Wasser der Oberen Argen über Kaskaden und einen 18 Meter hohen Fall ins Tal Richtung Bodensee. Bis zu 130 Meter ragen die Felswände aus Sandstein und die mächtigen Blöcke aus Nagelfluhgestein empor und bilden die beeindruckende Schlucht, die in der letzten Eiszeit vor etwa 15.000 Jahren entstanden ist.

Das Klima: Hohe, kühle Luftfeuchtigkeit, ein Paradies für Gewächse wie Moos und Farne und im Hochsommer eine frische Naturstätte zum Verweilen. Ein nordischer Regenwald. Am Ufer laden Kiesbänke zum Entdecken urzeitlicher Steine und kleiner Wasserbewohner ein. Eine Wasseramsel sucht Nahrung. Sie steht auf der Roten Liste bedrohter Vogelarten und kann als einziger europäischer Singvogel schwimmen und tauchen. Auch im weiteren Verlauf treffen die Argen und deren Zuflüsse immer wieder auf die Wege der Wandertrilogie. In den Hangquellmooren, die sich auf den Terrassen aus Kalk-Tuffgestein gebildet haben, explodiert die Artenvielfalt geradezu.

Die Argen wurden als Deutschlands Flusslandschaft des Jahres 2014/15 ausgezeichnet, eine Initiative der NaturFreunde Deutschlands und des Deutschen Angelfischerverbandes, die den Wildfluss als „eine Delikatesse im Naturschutz“ sehen.

Wasserreiche
Die Flüsse und Bäche, die vor allem das hügelige Westallgäu wie ein großes Adergeflecht durchziehen, sind auch die Hauptakteure des Trilogieraumes „Wasserreiche“ südlich von Isny rund um Scheidegg und Lindenberg. Durch das starke Gefälle in Richtung Bodensee hat sich das Wasser oft tief in den Untergrund eingeschnitten und viele Schluchten geformt. „Hier ist der Bauch von Mutter Erde. Das Wasser ist der Urquell. An den Terrassen und vielen Seen, die es gegraben hat, kann man sehen, welch uraltes Land das Allgäu ist“, sagt Toni Vochezer, selbst ein Urgestein und seit 40 Jahren in Scheidegg heimisch. Er führt Gäste wie Einheimische auf dem Trilogierundgang rund um den Ort. Alle Wege sind bestens ausgeschildert und an Schauplätzen erzählen Tafeln die Besonderheiten.



Wer mit einem Guide wie Toni Vochezer unterwegs ist, erfährt vieles, was einem sonst verborgen bleiben würde. Einer seiner „Lieblinge“ sind die Scheidegger Wasserfälle, der wie der Eistobel zu den schönsten Geotopen Deutschlands zählen. Der Rickenbach rauscht hier über zwei Gesteinsterrassen wild und unberührt hinunter in die 200 Meter tief eingeschnittene Rohrachschlucht. Spektakulär ist auch das Alpenpanorama ringsherum: Von der Nagelfluhkette bis zum Wächter des Allgäus, dem Grünten, von den Bregenzer Bergen zum Schweizer Säntis und ins flache Hügelland hinein. „Ein Juwel, diese Region“, meint Vochezer. Eine Möglichkeit, die ganze Vielfalt der „Wasserreiche“ zu erleben, besteht bei den Westallgäuer Wanderwochen mit zahlreichen geführten Touren vom 19. September bis zum 4. Oktober. Aber auch die anderen Etappen- und Themenorte entlang der Wasserläufer Route der Wandertrilogie Allgäu bieten geführte Touren in die Regenwälder des wilden Südens.

Wer wissen will, wie die Gelbbauchunke klingt, ein Kammmolch oder eine Bechstein-Fledermaus aussehen oder was eine Pimpernuss ist, sollte sich unbedingt ins Abenteuer stürzen.

Autor: Ingrid Rösner

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